Langenthal und die Johanniter von Thunstetten

1192 - 1528

Der grössere Teil der Langenthaler Bevölkerung gehörte im Mittelalter kirchlich zum Johanniterkloster Thunstetten. Diese stand in einer engen Verbindung mit derjenigen von Münchenbuchsee und wurde wahrscheinlich zwischen 1180 und 1192 vom lokalen Adel gegründet. Sie lag im Zentrum des heutigen Dorfes Thunstetten. Das genaue Datum der Gründung der Kommende ist unbekannt, weil die Gründungsurkunde fehlt. Das Kloster war mit Immunitätsprivileg und niederer Gerichtsherrschaft ausgestattet, so dass sie als eigenständiges Staatswesen mit eigenem Siegel auftreten durfte. Im Oberaargau verfügte Thunstetten neben dem Kirchensatz in Langenthal über beträchtlichen Landbesitz in den heutigen Kantonen Luzern, Solothurn und Bern. Neben Weinbergen am Bielersee gehörten ihr weiter die Kirchensätze von Lotzwil, Twann, Egerkinden, Aetigen, Waldkirch, Heimiswil, Rohrbach, Londiswil und Ursenbach. 1329 schloss die Kommende mit dem aufstrebenden Bern einen Burgrechtsvertrag ab und geriet 1415 unter bernische Landesherrschaft. Ihren Grundbesitz in Langenthal verloren die Johanniter im Laufe des 14. Jahrhunderts an die Zisterzienserabtei St. Urban. Dennoch mussten die Langenthaler und Schorer, welche links der Langeten gesiedelt hatten, die Messe in der Klosterkirche von Thunstetten besuchen. Angesichts des Kirchturmes, welcher noch aus mittelalterlicher Zeit stammt, dürfte diese eine beträchtliche Grösse gehabt haben. Die Langenthaler opponierten zu Beginn des 14. Jahrhunderts gegen den langen Kirchweg und verlangten vom Komtur eine eigene Kapelle. Diese wurde von Bern auch bewilligt, von St. Urban jedoch verhindert. 1514 entschied Bern, dass die Langenthaler an den Sonntagen und an den Feiertagen weiterhin die Messe in Thunstetten besuchen müssen, bloss die Frühmesse durfte ein Vikar von Thunstetten am Altar des Heiligen Erhard in der zu St. Urban gehörenden Kirche auf dem Geissberg lesen. Misswirtschaft und Verschuldung liessen Thunstetten im 15. Jahrhundert zu einem Glied der Kommende Freiburg absinken.

1528 wurde der Konvent aufgehoben. Der letzte Komtur übergab die Kommende 1529 ohne Zustimmung des Ordens mit allen ihren Gütern der Stadt Bern. Die Komtureigebäude dienen heute der reformierten Kirchgemeinde als Pfarrhaus. Die Kirche wurde noch 1522 neu gebaut, nur der Turm geht in die Frühzeit der Kommende zurück. Die übrigen Gebäude zerfielen oder wurden abgerissen.

Das Wappen der Gemeinde Thunstetten nimmt heute noch Bezug auf den Johanniterorden und zeigt das weisse Johanniterkreuz auf rotem Grund. Nach der Reformation bildete sich die reformierte Kirchgemeinde Langenthal 1538 um das Zentrum der Kirche auf dem Geissberg. Diese wurde zur reformierten Kirche. Der Kirchensatz im reformierten Langenthal behielt das katholische St. Urban bis 1808.

Literatur:
Margrith Werder: Die Johanniterkommende Thunstetten in Helvetica Sacra, IV/7
Max Jufer: Die Johanniterkommende Thunstetten, OJB, 1976

Dieser Text wurde von Langenthals ehemaligem Stadtchronisten Simon Kuert verfasst.

Bild: Thunstetten. Pfarrhaus mit Kirche. Bild: Valentin Binggeli.

Bild von Langenthal