Ein Langenthaler Trommler in Paris

1794

Auf der nordöstlichen Seite der Kirche auf dem Geissberg, unmittelbar vor der Kirchenmauer steht ein eigenartiges Grabmal mit folgender Inschrift:
„Hier ruht in Gott Paul Josef Joos, geb. im Jahr 1780. Am 10. August 1793 (wohl ein Verschreiber, der Tuileriensturm war am 10.8.1792) als Tambour beim Schweizerregiment in den Tuilerien in Paris. Gestorben am 2. Februar 1865 im 85. Altersjahr.“

Im Totenrodel der Kirchgemeinde Langenthal ist dieser Paul Josef Joos folgendermassen verzeichnet: „Joss, Paul Joseph, Ehemann, von Untervaz, Kt. Graubünden, zu Langenthal, Schneider.“ Im Geburtsrodel von 1780 ist er nicht verzeichnet. Es ist davon auszugehen dass er später nach Langenthal gekommen ist und er somit nicht als Berner ins Schweizerregiment eingliedert worden ist.
Der blutjunge Paul Joos war nämlich 1792 als zwölfjähriger Bub bereits Tambour im Schweizerregiment in Paris. Wie der Knabe zu dieser Ehre gekommen ist, das bliebt ungewiss. Beim Schweizerregiment handelte es sich um die königliche Schweizergarde, welche den französischen König zu schützen hatte. Dieser befand sich in diesen revolutionären Tagen mit seiner Familie im befestigten Stadtschloss, den Tulierien. Im August 1792 hatte das damals 900 köpfige Regiment den Sturm der aufgebrachten Pariser gegen 100 000 sollen es gewesen sein abzuwehren. Viele Schweizer sind damals gefallen, nur 200 Soldaten und 17 Offiziere konnten flüchten, unter ihnen der junge Langenthaler.

Paul Josef Joos überlebte wohl, weil er unbewaffnet war und als junger Musikant niemanden gefährdete. Dennoch grenzt es an ein Wunder, dass er überlebte. Wann er nach Langenthal gekommen ist, ist unbekannt. Er wirkte jedenfalls hier bis ins hohe Alter als Schneider. Während dieser Zeit liess er in seinen Erzählungen die Langenthaler den Tulieriensturm der Pariser Revolutionäre miterleben. Mit ihm ruht hinter der Langenthaler Kirche ein Stück Weltgeschichte.
 

Weiterführende Literatur
Samuel Herrmann/Jaroslav Cap: Spaziergang in Langenthal, 2008
 

Dieser Text wurde von Langenthals ehemaligem Stadtchronisten Simon Kuert verfasst.
 

Bild:
Jaroslav Cap 

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