Die erste Dorfordnung; Twingrodel

1535 - 1551

Nicht zuletzt wegen des Streites, der sich in den Jahren 1528-1538 um die Kollatur (Kirchensatz) in Langenthal entwickelt hatte, strebten sowohl der Abt von St. Urban als Grund- und Gerichtsherr, wie auch die „Gmeind Langenthal“ an, die gegenseitigen Rechte verbindlich zu regeln. Bereits unmittelbar nach der Einführung der Reformation (1530) entstand ein Twingrodel, welcher der Unsicherheit der künftigen Herrschaftsausübung des Klosters auf bernischem Territorium zu begegnen versuchte. Er regelte die Rechte des bernischen Landvogts von Wangen (Hohe Gerichtsbarkeit) und die Rechte des Abtes von St. Urban (niedere Gerichtsbarkeit). Im Dorf vertrat ein Weibel den Landvogt, der Abt wählte zur Vertretung seiner Interessen im Dorf einen Ammann. Weitere Beamte wie die Vierer und der Bannwart wurden nach der Ordnung von 1530 ebenfalls vom Abt eingesetzt.

Die vom Twingrodel von 1530 zu unterscheidende Dorfordnung (1535-1551), die von Abt Sebastian Seemann (1535-1551) veranlasst und von seinem Sekretär Ludwig von Mettenwil verfasst wurde, bestimmt die genauen Aufgaben des Ammanns, des Bannwarts und der Vierer.
Daneben regelt sie jene Angelegenheiten, die für ein Dorf der frühen Neuzeit von Bedeutung waren und ihm wirtschaftlich das Überleben und den Frieden sicherten.

Geregelt wird das Waschen mit Aschenlauge in den Häusern (Bauchen), das Umzäunen der einzelnen Liegenschaften, welches das friedliche Zusammenleben sichert, die Ausfahrten im Heuet, Bestimmungen zum Einbringen der Ernte, dann vor allem auch Bestimmungen um das Wässern in der Langeten und die Ordnung des Fischens in der Langeten. Dann werden die Aufgaben des Ammanns und der Vierer im Bereich der Bussen und des Pfändens geregelt. Die vom Abt eingesetzten Behörden haben auch die Preise für die Grundnahrungsmittel (Wein, Brot, Fleisch) festzulegen und eine Ordnung für die Wirtschaften, für die Metzger und Bäcker aufzustellen. 1669 wurde der Twingrodel erneuert. In der neuen Ordnung spiegelt sich die zunehmende Macht des Landesherrn Bern.
 

Weiterführende Literatur
SSRQ (Sammlung Schweizer Rechtsquellen) Bern, II,2.10


Dieser Text wurde von Langenthals ehemaligem Stadtchronisten Simon Kuert verfasst.


Bild:
Abt Sebastian Seemann (aus: Roggwiler Chronik 2006, S. 256)

Abt Sebastian Seemann