Langenthal: Bernisches Zentrum des Leinenhandels

1750

In der Mitte des 18. Jahrhunderts erwachte unter den Gebildeten der Schweiz ein lebhaftes Interesse an der Volkswirtschaft und an der Gemeinnützigkeit. In Anwendung von Gedanken der Aufklärung wurde die Forderung der Gemeinnützigkeit nicht mehr bloss theologisch vielmehr auch anthropologisch begründet. Es entstand die 1761 in Schinznach erstmals zusammengetretene Helvetische Gesellschaft. In Bern war bereits 1759 die Ökonomisch-Gemeinnützige Gesellschaft entstanden. Die helvetischen Gebildeten begannen, die Wirklichkeit, die sie vorfanden, seriös zu beschreiben. Erste Lexika entstanden.

Unter Berufung auf seine Mitgliedschaft bei der Helvetischen Gesellschaft, gab der Pfarrer Conrad Fäsi von Uitikon am Zürichsee 1765 seine „Staats- und Erdbeschreibung der Ganzen Helvetischen Eidgenossenschaft“ heraus. Er beschrieb darin die Ortschaften der Schweiz aufgrund eigener Reisen und aufgrund von Berichten zuverlässiger Gewährsmänner in den Regionen. Der Ortschaft Langenthal widmete er im Lexikon breiten Raum und strich vor allem den Reichtum der Ortschaft heraus, zu dem sie dank dem Leinwandhandel gekommen war: „Vornehmlich aber ist dieser Ort wohl gelegen, in Absicht auf die Handlung und Manufakturen; er hat drei Jahrmärkte, nämlich vor Pfingsten, im Herbstmonat und nach Conrads-Tage (nach 15. Januar); alle Dienstage aber einen Wochenmarkt, welcher von umliegenden Orten sehr stark besucht wird. Der wichtigste Verkehr, der an diesen Tagen geschieht, ist der berühmte Leinwandhandel, zu welchem die Tücher, so in dieser Gegend in Menge fabriziert, bisher zum Verkauf zusammen gebracht werden. Zur Vermeidung allen Betrugs und Missbrauchs bei dieser Handlung liess der Hohe Stand Anno 1758 und 1761 verschiedene heilsame Verordnungen durch Druck bekannt machen. Es sind auch beeidigte Tuchmesser und Besichtiger eingesetzt. Jährlich werden 10'000 bis 11'000 Stücke solcher Tücher von Langenthal abgeführt und davon bei 8000 Stücke am Ort gebleicht – neben einer Menge von Bändel, Garn und Faden. Die übrigen werden roh auf andere Bleichen (Zofingen, Aarau) geführt. Wenn man nun das Stück nach einem mässigen Wert gegen 35 Gulden schätzt, so kommt das einer Summe von 385'000 Gulden gleich. (Anmerkung: Wenn im Jahr 2000 für 1 Gulden ein Gegenwert von Fr. 24.00 geschätzt wird, entspricht dies nach heutiger Währung einem Umsatz von rund Fr. 9'240'000.00). Dieser Leinwandhandel hat seinen stärksten Abgang nach Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, den Amerikanischen Inseln und weiteres. Zudem wird hier noch starker Verkehr gemacht mit gröberer Leinwand aller Art, sowohl gefärbt als gestreift, wie auch mit ganz und halbbaumwollener Strichwaar, Barchet, Catun, uns so fort, die stark nach Neuchatel, die Landschaft Waadt, Burgund, Savoyen u.a. vertan wird. Item mit allerhand Leinenbändel, deren jährlich allein über 200 Centner ausgeführt; desgleichen mit Hanf, Flachs und Garn, woraus obige Waren verfertigt werden... Dieser nicht geringe Ort wurde von dem Gnädigen Landesherrn noch vorzüglich begünstigt, denn erst neulich ward ihm die Freiheit erteilt, gleich denen Munizipalstädten, fremde Waren einbringen und verhandeln zu dürfen, dessen sonst kein offener Ort dieses Kantons sich rühmen kann…“

Der Beschreibung von Fäsi entspricht auch der bereits 1764 von Pfarrer Samuel König abgelegte Pfarrbericht über das Dorf und die Beschreibung von Langenthal im Schweizer Lexikon von 1747/88 durch Hansjakob Leu.


Weiterführende Literatur:

  • G. Kurz: Langenthal gegen Ende des 18.Jahrhunderts, 1922
  • A. Kuert: Ein Dorf übt sich in Demokratie, Langenthal, 1997

 
Dieser Text wurde von Langenthals ehemaligem Stadtchronisten Simon Kuert verfasst.


Bild:
Rasenbleiche um 1900 

Das Bild zeigt die Rasenbleiche um 1900