Langenthal wird Stadt und bleibt ein Dorf

1793

1710 erhielt die Krämerzunft der Ämter Bipp, Wangen und Aarwangen das Recht, ihre Waren frei einzukaufen zu dürfen. Als Marktort wurde Langenthal der Zunft als Sitz zugewiesen.

Mit der Einführung von Krämerpatenten 1760/61 behielten allein die Langenthaler das freie Einkaufsrecht. 1792 mussten alle Krämerpatente der Regierung zurückgegeben werden, auch diejenigen der freien Bürger Langenthals, was zu einer ausführlichen Vorstellung und Bittschrift der Burgerschaft Langenthals führte. In dieser betonten die Langenthaler, dass es sich mit dem Rückzug der Patente wohl um einen Irrtum der Regierung gehandelt habe denn: „eine der ersten und wesentlichsten Freyheiten nun besteht unzweifelbar darin, dass Langenthal in Rücksicht auf die Handelsschaft das Stadtrecht geniessen kann, das ist das Recht ihre Ware ausser Landes von der ersten Hand ankauffen zu können.“

Die Regierung erhielt diese Bittschrift und würdigte den blühenden, aufstrebenden Handelsort und bestätigte den Bürgen 1793 dieses Stadtrecht. Wir stellen dieses Langenthaler Stadtrecht hier im Quellentext (StAB, AI 447,338f. /Burgerarchiv Langenthal) vor:

„Schultheiss und Rath der Stadt Bern. Unser Gruss bevor. Wohl-edelgebohrner und getreuer Amtsmann! Nachdeme Wir die von der Gemeind Langenthal uns angehende Bittschrift, dahin zweckend, das sie aus angebrachten Gründen ohne Patent ihre Waaren von aussenher anzuschaffen in die Fähigkeit gesezt werden möchten, durch unsren wohlverordneten Commerzien Rath untersuchen und unss an heute den Vortrag erstatten lassen, haben wir befunden und erkent, dass jeder Burger in Langenthal in Zukunft befuget sein solle, gleich den Burgeren übriger Städten hiesiger Landen seine Waren aussert Land anzukaufen und in dem Marktflecken ohne Patent freyen Handel zu treiben, dessen Ihr berichtet werdet, mit dem befelchlichen Auftrag, es der Gemeind Langenthal zu eröffnen und behörigen Orten zum künfftigen Verhalt einschreiben zu lassen. Gott mit Euch. Geben den 19. Jenner 1793.“

Trotz dieses regierungsrätlichen Beschlusses und dem Bestreben der Langenthaler, im Laufe des 18. Jahrhunderts ihrer Marktgasse, dem früheren „wüsten wäg voll kot“ eine städtisch anmutendes Aussehen zu geben, blieb Langenthal als bedeutender Marktflecken zwar ein Dorf. Bis Ende des 20. Jahrhunderts gingen die Einwohner von Langenthal nicht in die Stadt, vielmehr “ins Dorf“.


Weiterführende Literatur
Rechtsquellen des Kantons Bern II/2.10, Nr. 368. A. Kuert: Ein Dorf übt sich in Demokratie, S. 99
 

Dieser Text wurde von Langenthals ehemaligem Stadtchronisten Simon Kuert verfasst.


Bild:
Marktgasse im 18. Jahrhundert (Kuert, S.99)

Bild der Marktgasse im 18. Jahrhundert